Rede von Jürgen Rennert am 3.10. 2012

DRINGLICHE EMPFEHLUNG

Der Bildhauer und Metallgestalter Johann Peter Hinz hat sich mit seinen Kreationen auf unvergängliche Weise ins Gedächtnis des Landes und insonderheit Halberstadts eingeschrieben. Das bleibt für immer vernehmbar im Geläut des Halberstädter Doms, dem Klang der Domina, deren 1999 öffentlich besorgter Zweitguss von ihm mit einem bemerkenswerten Glockenschmuck versehen wurde.

Das von Hinz gewählte Motiv der Arche Noah antwortet in ergreifender spiritueller Weise aufs sintflutartige Geschehen des zweiten Weltkriegs, in dem auch Halberstadt nahezu versank. Wiewohl im nunmehr polnischen Kolberg geboren, wurde Halberstadt für Johann-Peter Hinz ‐ nach der Vertreibung der Familie ‐ zur exemplarischen Heimat, in der er, einem Wort von Nelly Sachs folgend, an der „Verwandlung der Welt" ins Friedliche unerschrocken und prägend mitwirkte.

In den siebziger und achtziger Jahren des 20. Jahrhunderts machte er die von ihm geliebte und verteidigte kriegsversehrte Halberstädter Martinikirche zum Zentrum von überregional beachteten Ausstellungen, in denen mittlerweile namhafte künstlerische Mitstreiterinnen und Mitstreiter erstmals ihre wichtigsten Arbeiten zeigen konnten, unbehelligt vom Unverstand einer das öffentliche Ausstellungswesen reglementierenden restriktiven Kulturpolitik.

Johann-Peter Hinz verstand sich lebenslang als ein vornehmlich politischer, am Wohl der Polis orientierter Mensch. Solch Selbstverständnis barg und birgt das Zerreißende in sich. Nach 1989 hat Hinz Halberstadt nahezu ein Jahrzehnt lang als ehrenamtlicher Stadtpräsident gedient. Und während dem immer wieder deutlich bekannt: „...Ich hoffe für die Zukunft, kommunalpolitisches Engagement und künstlerische Arbeit in Einklang bringen zu können.“

Seinem hellwachen Engagement verdankt Halberstadt viel. Nicht allein die rühmenswerte Pflege der einzigartigen jüdischen Friedhöfe, sondern auch das fortlebende Bewusstsein für die abermals drohende Gefahr neonazistischer Weltverkennung.

An vielen Orten und Plätzen des Landes, in etlichen Kirchen und Kunstsammlungen angesehener Institutionen bekunden die zahlreichen metallplastischen Arbeiten von Johann Peter Hinz eine in Deutschland seltene künstlerische Handschrift, die am ehesten an die epochalen Arbeiten des Schweizers Giacometti und des Italieners Manzu gemahnt.

Die „fromme Erdung“ seiner geschweißten und geschmiedeten, z. T. aufs Holz genagelten Gestalten und Gestaltungen verhilft ihnen zu einer Eindringlichkeit, die überwiegend schon in der Betitelung hörbar wird: „Fischkreuz“, „Gehenktes Tier“, „Falsche Propheten“ und „Brandkreuz“ assoziieren die Schrecken des Jahrhunderts und der Jahrhunderte.

Die Ausbildung bei Fritz Kühn und an der renommierten Hallenser Burg Giebichenstein haben Johann-Peter Hinz früh zu allem handwerklichen Knowhow verholfen.

In das Wissen ums Wofür hat er sein Leben investiert. Seine letzte Arbeit - das Mahnmal in Magdeburg‐Rothensee - geriet ihm, wie ich meine, auch zur prophetischen Vorausschau des eigenen Schicksals. Die hingemordeten Insassen des KZ‐Außenlagers „Magda“ erinnernd, zwang er sich selbst, seinen Kopf, ins Quaderhafte einer fortan alle Lebhaftigkeit verhindernden Ordnung. Der Text, um den er mich seinerzeit bat, liegt dieser Arbeit, von ihm als Schriftband gegossen, lesbar zu Füssen.

Johann-Peter Hinz und sein ‐ trotz aller Verhinderungen ‐ umfangreiches Werk verdienen und erfahren unentwegt Beachtung. Er bleibt als markante Persönlichkeit im Buch der jüngeren deutschen Geschichte eingeschrieben. Seine künstlerische Bedeutsamkeit im internationalen Kontext ist nicht zu übersehen. Und seit dem Beginn des auf Jahrhunderte hin berechneten und durch ihn inspirierten und beförderten John‐Cage‐Klangprojekts auch nicht mehr zu überhören.